Artikel aus “DIE WELT” vom 11. September 2001

 



Jetzt wackelt die Riester-Rente 

Nur ,,AAA" im Versicherer-Rating bedeutet maximale Sicherheit

Von Jürgen H. Wintermann

Düsseldorf - Nach dem Debakel um die gesetzliche Rente wackelt jetzt auch die Riester-Rente. Manche Lebensversicherer, die Riester-Produkte anbieten, sind finanziell zu schwach, um ihre attraktiven Leistungsversprechen, darunter jährlich vier bis fünf Prozent Überschussbeteiligung, in 30 oder 40 Jahren auch einlösen zu können. Ohne Gewinnbeteiligung aber erreicht die Riester-Rente kaum die Hälfte der zugesagten Höhe.

Die Rating-Agentur S & P Standard & Poor's trennt jetzt gnadenlos die Spreu vom Weizen. Nur zwei Lebensversicherer - Victoria und Hamburg-Mannheimer - schafften die Glanznote AAA. Andere, darunter Hannoversche Leben und HUK Coburg, sollen noch in diesem Jahr in Richtung C-Kategorie abgestuft werden, verrät ein S-&-P-Manager, was "sehr schwache" bis "extrem schwache" Finanzkraft heißt.

Ein Alarmsignal für den Versicherungskunden. Bisher interessierten ihn nur Produkt, Preis und Service. Die Frage, wie sicher Leistungsversprechen in der Zukunft wirklich sind, spielte keine Rolle. Das ändert sich nun, vor allem mit Blick auf langfristige Produkte wie die Riester-Rente. Schon der mit der Deregulierung des EU-Versicherungsmarkts inszenierte Wettbewerb hat manchen Anbieter zu überzogenen Leistungsversprechen verleitet, die er mangels Gewinn schon jetzt nicht mehr einhalten kann.

Spektakulär ist das erstmalige Eingreifen des Bundesaufsichtsamts in die riskante Anlagepolitik einiger deutscher Versicherer wie Hannover Leben. Die Hannoveraner müssen nach fehlgeschlagenen Aktienspekulationen jetzt wohl empfindliche Abstriche an der Überschussbeteiligung machen. Die stillen Reserven sind weit gehend abgeschmolzen, und das Bundesaufsichtsamt hat den Verkauf von Aktien angeordnet. Finanzvorstand Bernd Meißner wurde in die Wüste geschickt.

Hannover Leben ist nicht der einzige Fall für die Aufsicht. "In der jetzigen kritischen Situation am Aktienmarkt redet das Amt mit vielen Unternehmen", bestätigt der neue Finanzvorstand Tim Kettemann. Und das dazu befragte Aufsichtsamt sieht sich nicht zu einem Dementi veranlasst. Das alles nährt Zweifel an der Verlässlichkeit mancher Lebensversicherer.

Mit objektiven Bewertungsmaßstäben für die Zuverlässigkeit der einzelnen Lebensversicherer bietet die Rating-Agentur S & P den Kunden bei der Partnersuche zur Riester-Rente deshalb wertvolle Entscheidungshilfe. "Schwarze Schafe" werden erkennbar. Fest steht bisher nur, dass Victoria und Hamburg-Mannheimer ihre Traumnote AAA behalten werden. Sie verfügen über große stille Reserven, um auch in Immobilien- und Börsenflauten die Rendite ihrer Produkte garantieren zu können. Eigentlich gehört zu diesen Würdenträgern auch die Allianz. Sie hatte ihr Tripple-A verloren, als sie sich die Dresdner Bank einverleibte. Banken tragen üblicherweise höhere Risiken, was S & P zur Abstufung auf ein immer noch exzellentes "AA+" veranlasste.

Nicht nur am Kapitalmarkt, sondern auch im Versicherungsgeschäft wachsen die Risiken. Im letzten Jahrzehnt fand bei Neuabschlüssen eine starke Produktverschiebung hin zu Risiken statt, die mit der immer höheren Lebenserwartung der Bevölkerung im Zusammenhang stehen. Allein der Anteil der privaten Rentenversicherungen stieg bei Neuabschlüssen von 2,5 auf 19,3 Prozent. Zugleich hat die auch risikoträchtige Berufsunfähigkeitsversicherung stark zugenommen. Wegen dieser risikoträchtigeren Portfoliostruktur dürfte der Kunde die vom Rating testierte nachhaltige Finanzkraft seiner Versicherung künftig sogar zum dominierenden Entscheidungsfaktor machen.